Kampf den Bausünden

Kampf den Bausünden

Kampf den Bausünden 150 150 Herbert Mayr

Ein Buch mit dem alarmierenden Titel „Kampf den Bausünden“ ist in der heutigen Zeit nötiger, denn je – haben wir doch nach den Zerstörungen des Krieges unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen die gewaltigste Bauaufgabe zu erledigen, die einem Volke gestellt werden kann. Wird schlecht gearbeitet, so werden Baustoffe vergeudet und Arbeitskräfte unnütz beschäftigt, insgesamt also volkswirtschaftliche Mittel dem Gesamtaufbau entzogen, was in unserer Notlage aus eine „Sünde“ ist.

Der Kampf gegen das Pfuschertum im Baugewerbe ist alt; er wurde seit dem Mittelalter von den Zünften immer wieder aufgenommen. An die Stelle bewährter handwerklicher Ausführungen treten heute zahlreiche neue Baustoffe und Bauweisen, deren kritiklose Verwendung häufig zu Mißerfolgen führt. Nun erwartet man besonders von der Baupolizei oder den Bauaufsichtsämtern, dass sie bei der Prüfung der Bauvorlagen nach den technischen Vorschriften der Bauordnungen Fehler nicht zulassen und dann bei den Baukontrollen und Abnahmen auf werkgerechte Durchführung achten. Es wäre aber falsch, hierin alles Heil zu sehen. Ohne gewissenhaft, verantwortungsbewußte Baufachleute, die von einem hohen Berufsethos beseelt sind, ist kein gutes Ergebnis zu erzielen.

Die Fehler müssen schon im Entstehen vermieden werden. Gründliche Ausbildung der Architekten und Bauingenieure in der Schule und auf dem Werkplatz ist daher die erste Bedingung. In der Praxis leisten viel zu viele infolge mangelhafter Kenntnisse oder gar wider besseres Wissen aus Gewinnsucht schlechte Arbeit. Leider tragen auch solche Architekten die Schuld an Baufehlern, die auf künstlerisch effektvolle Entwürfe – graphisch meist hervorragend dargestellt – ausgehen und dabei die technischen Voraussetzungen nicht bedenken. Konstruktion und Form stehen aber in unvermittelbarer Wechselwirkung, vor allem, wenn man wirtschaftlich Bauen will.

Oft liegt die Ursache des Übels auch bei den Bauherren, die abwegige Forderungen stellen und dann einen Bauausführenden finden, der nicht den Mut hat, den Auftrag abzulehnen. Andere Bauherren wieder wollen sparen und lassen sich nicht belehren, dass eine gute Arbeit nicht unter einem bestimmten Preis zu leisten und dass das Qualitätvolle auf die Dauer am wirtschaftlichsten ist.

Alle Bauschaffenden aber sollten wissen, dass nichts so sehr ihrem Rufe schadet, als wenn an ihren Werken Mängel auftreten, die nur mit zusätzlichen Kosten beseitigt werden können oder gar den Bau, der ja in jedem Falle ein – wenn auch noch so bescheidenes – Kunstwerk sein soll, für immer verschandeln. Ist es doch das Gefährlichste beim Bauen, dass das Unzulängliche und Falsche nicht verborgen bleibt. Und es zeugt von einer tiefen Einsicht Goethes, wenn er im Wilhelm Meister das Wirt gesprochen hat: “ Mag man immer Fehler machen, bauen darf man keine!“

Braunschweig, im Dezember 1949

Professor Johannes Göderlitz | Stadtbaurat – Geleitwort aus dem Buch Kampf den Bausünden, 3. verbesserte Auflage 1950


Nachsatz: Seit der Ersterscheinung dieser Bände sind mehr als 80 Jahre vergangen. Dieses Geleitwort, bzw der Apell an die Bauwirtschaft hat nach wie vor seine Gültigkeit. Baufehler vergeuden Arbeitskräfte und Rohstoffresourcen, der Aufwand ist steuerlich absetzbar und vernichtet mangels Steuereinnahmen unser Volksvermögen und bringen den Stand der Bauschaffenden in Verruf.

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